Elisabeth Agostini

Schichten der Seele - Schichten des Bewusstseins - Schichten der sich überlagernden Materialien, verwoben in transzendent-unerbittlicher Suche des Wesentlichen:
Die Arbeiten von Liz Agostini.

Kunst als Frucht des Könnens oder Kunst als Kunde und Inbegriff erlittenen Wissens um verborgene Wirklichkeit, keine behagliche Umgehung duldend: Solcher Widerspruch besteht in diesen Werken nicht.
Die Farben - im Sinne von Farbigkeit - bleiben meist sparsam und vermeiden den äußeren Rausch. Dies zwingt den Betrachter zu erhöhter assoziativer Aufmerksamkeit und verleugnet nicht das Grübeln und Ringen und die Betroffenheit der Künstlerin bei Auflösung der sich andrängenden oder selbst gestellten Themen.
Abseits von provozierenden Zeitgeist-Sentenzen oder plakativer Tagessensation forscht sie in der Mehrschichtigkeit nach Lösungen. Elementares wird spürbar vermittelt; daher erklärt sich die starke statische Ausstrahlung der Bilder. Informationen und Weisungen, aber auch offene Fragen beinhalten sie, vielschichtig wie ihr Aufbau.

Man fühlt sich gleichermaßen von der Vergangenheit und Zukunft beeindruckt, oft auch unterstützt durch die eingesetzten Materialien.
Der Duktus auf dem fast entmaterialisiert wirkenden handgeschöpften Papier aus Nepal, auf Karton, Leinwand oder Malplatte scheint oftmals einer feinen Ziselierung zu folgen, mit welcher die Künstlerin die von ihr geschaute innere Welt verständnisvoll beschreibt oder aber durch zarte Symbolik verhüllt sein lässt. Bisweilen verliert sich die Linie unter einem rauen, die dritte Dimension andeutenden Schimmer aus Quarzsand.

Aus der Kontaktnahme der Künstlerin mit sich, der Umwelt und dem künstlerischen "Werkzeug" destillieren sich die Erfahrungsspuren als bildnerische Vibrationen, die nicht als individuelles Ereignis festgehalten und intensiviert, sondern in den Zusammenhang einer Erscheinungsharmonie gebracht werden, die wiederum nur über die eigene Erfahrung - letztlich die umfassende Ein-Stellung - aufgebaut wird.

Morphische oder morphogenetische Bilder

Seit Jahrtausenden lehren uns Philosophien und Religionen, dass nicht nur unsere Taten, sondern auch unsere Gedanken, Emotionen und Visionen Auswirkungen auf unsere Umgebung, ja sogar auf die ganze Welt haben. Außerdem sei nichts, was wir je getan, gedacht oder gefühlt haben, verloren, sondern vielmehr – irgendwo im Kosmos – immer präsent und abrufbar. Nicht nur das: was wir säen, würden wir früher oder später ernten. Keine Energie ginge je verloren.

C.G. Jung, Rupert Sheldrake, Vera F. Birkenbihl und viele mehr beschäftigen sich seit langer Zeit mit den Erkenntnissen aus morphischen Feldern. Diese Felder umfassen und verknüpfen die verschiedenen Teile des Systems, das sie organisieren, zwingen ihm eine Ordnung auf,ein wissendes Netz umspannt unsere Erde.

Der große Psychoanalytiker C.G. Jung bezeichnet das morphogenetische Feld als „kollektives Gedächtnis“ oder „kollektives Unbewusstes“:

„Ein Gedächtnis ist ein Gedankenspeicher. Das formerschaffende Feld ist natürlich ein Gedankenspeicher-Feld, oder einfacher, ein Gedanken-Feld. Diese Felder sind wissenschaftlich anerkannt, ihre Bedeutung auf die Arten unumstritten. Sie sind auch nicht mit Begriffen der Materie zu erklären, sondern umgekehrt:

Um die Materie zu erklären, greift man auf die Begriffe „Energie“ und „Feld“ zurück. Es geht ganz einfach um die rätselhaften Prozesse der Formenentstehung von Kristallen über Pflanzen, Tiere und Menschen, bis hin zur menschlichen Gesellschaft und Kultur. Sind es die Gedanken des universellen Geistes?“

Es ist schier unmöglich, etwas so Unbegreifliches gedanklich oder gar sprachlich adäquat darzustellen. Aber der Begriff des Gedankenfeldes nähert sich Vorstellungen an, die wir begreifen können, denn unser Gehirn ist ebenfalls ein „Aufbewahrungsort“ all unserer Gedanken.

Elisabeth Agostini arbeitet auch hier,bei „ihren morphischen Feldern“,über ihr emotionales Gedächtnis und versucht so, Unbegreifliches malerisch darzustellen. „Ohne die jeweilige Kontrolle aus der Distanz zum Bild aus den Augen zu verlieren,“ (Zitat Ingrid Jureit) arbeitet sie über Schichten der Seele – Schichten des Bewusstseins – Schichten der sich überlagernden Materialien immer in dem Bestreben, ihre Gefühlswelt als Wirklichkeitserfahrung über alle Bildebenen zu erhalten.

Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren.

Johann Wolfgang von Goethe